Jetzt, wo man nach dem Brexit schon auf den Finexit und andere EU-Austritte wartet, sieht man, dass die Überdehnung der EU nur Probleme mit sich brachte, die auch Berlin mit seiner schwächelnden oder gar vor dem Aus stehenden Merkelkratie nicht lösen kann. Im Hinblick auf zahlreiche in Europa schwelende Konflikte, inbegriffen die drohende Loslösung von Katalonien, was wie vor dem Zweiten Weltkrieg einen Bürgerkrieg auslösen könnte – damals mit deutschen und italienischen “Hilfstruppen” –, erinnert vieles an die Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1938, als ebenfalls der ethnische Nationalismus aufkeimte. Der damalige Austro-Faschismus wurde heute, unter dem bald 32-jährigen Bundeskanzler Sebastian Kurz, zum Austro-“Feschismus” (von “fesch” – hübsch, flott, kess). Andere Parallelen sehen wir auf dem Balkan, in den baltischen Staaten und in Osteuropa. Großbritannien hatte sich schon 1939, nach zu langem Abwarten, nach dem Überfall auf Polen, Deutschland entgegengestellt, und die Briten blieben seither europaskeptisch…
Aus Hitlers Europa-Wahn ging letzten Endes die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hervor. Der “deutsch-französische” Meinungspapst Carlo Schmid hatte im Zweiten Weltkrieg Hitlerdeutschland als Kriegsverwaltungsrat in Lille repräsentiert. 1941 hielt er vor NS-Juristen in Berlin eine Rede ganz im hitlerschen Sinne. Er schwärmte damals von einem Europa unter NS-Herrschaft, so wie er es nach dem Kriege von einem Europa unter der Brüsseler Bonzokratie tat, deren älterer deutscher Teil ohnehin meist aus NS-Wendehälsen bestand. Der Europa-Wahn des NS-Regimes wurde unter Adenauer unter anderem dadurch fortgesetzt, dass sein engster Mitarbeiter, der in der Judenverfolgung aktive NS-Ministerialrat und spätere Chef des Kanzleramts Hans Globke (1898-1973), der seine Kindheit und Jugend in Aachen verbracht hatte, dort 1950 den Karlspreis ins Leben rief. Seitdem wird dieser an “große Europäer” verliehen wie die Bundeskanzler Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel sowie die Bundespräsidenten Carstens, Scheel und Herzog, und 2018 sogar schon an den “feschen” Emmanuel Macron. Normalerweise geht dieser Ehrung die Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes voraus.
1967/68 arbeitete ich in der Brüsseler EWG-Kommission im internen Sozialversicherungswesen. Damals suchte man für die unteren Stufen der Hierarchie per Stellenausschreibung noch zweisprachige Hilfskräfte, die also neben der Amtssprache ihres Herkunftslandes auch Französisch sprachen (damals war Großbritannien noch kein Mitgliedsstaat). Zu jener Zeit, unter dem homosexuellen EWG-Präsidenten Walter Hallstein (1901-82), einem nach Preußen hingewandten gebürtigen Mainzer, waren die hohen Posten des deutschen Beamtenkontingents noch von etlichen Nutznießern des NS-Regimes besetzt. 1967 wurde Hallstein zwar auf Druck Frankreichs von dem Lütticher Jean Rey abgelöst, aber die alte Garde verschwand nur ganz allmählich, entweder durch Abberufung in die Bonner Republik oder durch Pensionierung.
Der alte Geist jedoch herrschte in der EG-Kommission weiter und blühte seit der Kanzlerschaft der machtbesessenen “Merkiavelli” wieder auf. Schließlich kommen die meisten Geldbeiträge aus Deutschland. Es wurde befürchtet, dass Merkel nach ihrer letzten Amtszeit die Führung der Brüsseler EU-Kommission übernimmt, oder sogar den Vorsitz der UNO, aber dies waren nur Spekulationen in der Glanzzeit der sogenannten “Teflon-Kanzlerin”, die sich inzwischen sehr abgenutzt hat. Vielleicht sehen jetzt immer mehr Deutsche und Bewohner mit Migrationshintergrund – allen voran die aus der Türkei stammenden –, was mit Merkels verlogenem, auf dem Islamismus gründenden “Multikulti”‑Wahn wirklich los ist. Genau wie im damals noch “normalen”, geteilten Deutschland, als im westlichen Teil – wie in der Türkei – in den Kinos die Sexkomödien der Kassenschlager waren, gab es in der Türkei und auf dem Balkan keine Frau im Iran- oder Saudi-Look, und Merkels Genossen und Genossinnen im Arbeiter- und Bauernstaat hielten die Rechtsradikalen und Rassisten in Schach und sperrten sie sogar ein.
Das Scheitern der “deutsch-französischen Freundschaft” färbte auch auf die sogenannte Europäische Gemeinschaft ab. Sicherlich waren es zunächst ganz edle Motive, die zur Gründung der UNO und der Europäischen Gemeinschaft geführt hatten, und die Menschen dahinter hatten noch Ideale, die sie verwirklichen wollten. Allerdings verkamen ihre Institutionen im Laufe der Zeit, und ein nach dem Peter-Prinzip aufgeblähter Verwaltungsapparat löste die Gründergeneration ab. Für die höheren Posten schicken die Mitgliedsstaaten in der Regel ihre verdienten oder ausgemusterten Beamten und Politiker nach Genf, Brüssel und Straßburg und in andere Niederlassungen der EU, oft auch missliebige Personen, die sie los haben wollen, sie jedoch aufgrund ihrer Popularität nicht auf eine andere Art und Weise “entsorgen” können.
Fast schon verzweifelt “erneuerte” Merkel mit Macron symbolisch die sogenannte “deutsch-französische Freundschaft” Ende Januar zum 55. Jahrestag des durch Adenauer und De Gaulle am 22. Januar 1963 unterzeichneten Elysée-Vertrags, im Allgemeinen “deutsch-französischer Freundschaftsvertrag” genannt. Bezeichnenderweise mussten Adenauer und De Gaulle per Dolmetscher miteinander verkehren, und im Grunde diente dieser Vertrag vor allem dazu, die deutsch-französische Staatsgrenze auch in eine Sprachgrenze zu verwandeln – obwohl auf beiden Seiten im Grunde dieselben deutschen Dialekte gesprochen werden.
Was die Seriosität solcher “Freundschaftsverträge” angeht, das hat uns die Geschichte schon gezeigt, und bezüglich ihrer Haltbarkeit sollten wir nicht vergessen, dass schon nach dem Ersten Weltkrieg Gustav Stresemann und Aristide Briand im Namen ihrer Völker sich ewige Treue geschworen hatten – und 1926 dafür gemeinsam den Friedensnobelpreis erhielten. Bezeichnenderweise wirkte Jahrzehnte später ein Mitglied der pommerschen von-Thadden-Dynastie – Rudolf – im Rahmen dieses Freundschaftsvertrags als Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit bei der Bundesregierung mit. Ein anderer aus dem Geschlecht derer von Thadden – Johannes – war Generalsekretär in der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Ebenfalls nicht französisch sprach der Ministerpräsident des Grenz-Bundeslandes Rheinland‑Pfalz und spätere Bundeskanzler Helmut Kohl. In seiner Geburtsprovinz Pfalz wohnte Dr. Fritz Ries, ein aus Saarbrücken stammender Industrieller, der durch Arisierungen während der Nazizeit Multimillionär geworden war und schließlich in der französischen Besatzungszone, in Frankenthal, unterkam, wo er seine Pegulan-Werke führte. Ries förderte Franz-Josef Strauß sowie die Karriere Kohls und auch die von Kohls Freund, dem ebenfalls aus Ludwigshafen stammenden Kurt Biedenkopf, des späteren Ministerpräsidenten von Sachsen. Dieser heiratete nach Ries’ Tod dessen Tochter, und während seiner Amtszeit erblühte der Neonazismus in Sachsen und in den “neuen Ländern”– ein Boom, der immer noch anhält.
Leider hatten nach 1945 die Alliierten den verhängnisvollen Fehler begangen, die alten Parteien und Politiker aus der Zeit vor 1933 wieder einzusetzen – also ausgerechnet diejenigen, die völlig versagt hatten und die Hitler-Barbarei zuließen. Adenauer hatte 1955 nicht nur die Freilassung von Wehrmachtssoldaten aus sowjetischer Gefangenschaft bewirkt, sondern auch die hochrangiger Nazis. Für Adenauer ebenso wie für den forschen Oberleutnant der Wehrmacht und späteren SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt war sogar die Waffen-SS durchaus salonfähig. Der zweite Fehler war die Zustimmung der Alliierten zur überstürzten deutschen Wiedervereinigung 1990, wozu inzwischen genügend aufklärende Literatur vorhanden ist… Aber inzwischen haben wir dort wieder zunehmende Zensur, auch in den Schulen und Universitäten, mit Auswirkungen nicht nur auf die deutschsprachigen Nachbarländer und Regionen.
Der deutsche Militarismus gibt wieder Anlass zur Besorgnis. So zum Beispiel geht Deutschland im Krieg Türkei gegen Kurdistan auf beiden Seiten als Gewinner hervor, dank der Rüstungslieferungen sowohl an die Türkei als auch an den jenseits der Staatsgrenze liegenden Teil Kurdistans. Nur Panzer bekam letzteres noch nicht… Hinzu kommt Deutschlands direkte militärische Präsenz im Kosovo, in der Osttürkei, im Libanon, in Jordanien, Syrien, Irak und Afghanistan, natürlich im Mittelmeer sowie in zahlreichen afrikanischen Ländern, und indirekte militärische Präsenz in Ägypten, und auch im Jemen aufgrund der Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien. Und “Ausbildungsunterstützung” kann faktisch überall in Berlins militärischem und kommerziellem Interessenbereich stattfinden…
Wenn es etwas mehr Steuern für die Bundeswehr aufwenden würde, könnte Deutschland leicht zur stärksten Militärmacht der EU werden und über Frankreich zur Atombombe kommen, so wie Adenauer es seinerzeit durch seine “Freundschaft” mit Ben Gourion über Israel versuchte. Trotz 2011 abgeschaffter Wehrpflicht bleibt die Bundewehr für Arbeitslose und Neonazis besonders attraktiv, bis hin zum Berufssoldaten, der sich dann bei den ” Bimbos und “Kameltreibern” so richtig austoben kann – wie bekanntlich viele Asoziale in der US Army… Alleine schon der Grundwehrdienst reicht für Eiferer aus, um später bei den Dschihadisten oder anderswo als Söldner Kampferfahrung zu sammeln. Übrigens gab es seit Abschaffung der Wehrpflicht alljährlich im Durchschnitt 300 bis zuletzt 400 Fälle festgestellter Rechtsradikalität unter den Bundeswehrsoldaten.
Man kann die Zeiten bedauern, als es noch Staatmänner gab, die der Merkel die Stirn boten, wie der jetzt wieder in der Politik mitmischende Silvio Berlusconi. Unvergesslich ist die Szene als er, das Handy am Ohr, auf der Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg die “Alte” warten liess, wobei TV-Kameras das merkelsche unverhohlene Mienenspiel einfingen. Es heisst, dass Macron, der wie Merkel einen autoritären, ja monarchistischen Stil aufweist, allerdings mit eher putinschem Prunk, Europas “Mutti” ablösen wird, wohlwissentlich, dass seine eigenen Untertanen bei einem Referendum gegen den Verbleib in der EU stimmen würden…
Am liebsten wäre es Macron, die GroKo machte in Berlin weiter, am besten mit einem Außenminister Martin Schulz, dem ersten, der sich mit den französischen Spitzenpolitikern in deren Muttersprache unterhalten könnte… Dann könnte auch die Erdoğan-freundliche Politik fortgesetzt werden und die Türkei – mit der dann stärksten Armee – doch noch Vollmitglied der EU werden, was schon alleine den Zerfall der Europäischen Union beschleunigen würde.
Author : Harry R. WILKENS
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