Mir als gebürtigem Pfälzer – und väterlicherseits aus einer alten Pfälzer Familie stammend – ist es unerträglich, immer wieder dieselben verlogenen Lobhudeleien und Mythen um den gerade verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl zu lesen, der "Politik mit seinem Körper" machte und angeblich dadurch seine nicht so gewichtigen GesprächspartnerInnen einschüchterte.
Das einzige Europäische an diesem "großen Europäer" war, dass er eine türkische Schwiegertochter – die Istanbuler Industriellentochter und Bankerin Elif Sözen – und Enkelin hatte, und wenigstens zu Anfang manchmal in der Türkei weilte, wohingegen er seine Urlaube ansonsten lieber am österreichischen Wolfgangsee verbrachte – zum Leidwesen seiner kultivierten und mehrsprachigen Frau Hannelore, die 2001 wegen schwerer Krankheit freiwillig aus dem Leben schied.
Sein Verhältnis zu seinen beiden Söhnen Walter und Peter sowie deren Familien, einschließlich Enkelkindern, ist ohnehin unwiderruflich zerrüttet gewesen. 2008 heiratete Kohl endlich – in Abwesenheit seiner Söhne – seine 34 Jahre jüngere Geliebte, die von seinen alten Freunden, von Journalisten und Biographen gefürchtet wird…
Ein Türkenfreund war dieser arrogante, ungehobelte Deutschnationale ohnehin nicht, ebenso wenig wie ein Franzosenfreund, und wie schon damals Konrad Adenauer mit Charles De Gaulle (letzterer sprach wenigstens leidlich deutsch), musste Kohl mit seinem in Verdun händchenhaltenden "Freund" François Mitterand und all den anderen – wenn seine gebildete Frau nicht dabei war – nur per Dolmetscher verkehren.
Unter dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und danach deutschem Bundeskanzler Kohl hatte sich die deutsch-französische Staatsgrenze ohnehin in eine Sprachgrenze verwandelt – obwohl auf beiden Seiten im Grunde dieselben deutschen Dialekte gesprochen werden… Unter Kohls Kanzlerschaft wurde gleich nach Abzug der französischen Garnison in meiner Heimatstadt Kaiserslautern Anfang der 90er Jahre das nahe dem Stadtzentrum gelegene französische Kino dem Erdboden gleichgemacht…
Und seine ausländischen Gäste, anstatt sie in die feine Pfälzer Küche einzuführen, traktierte er stets in seinem Deidesheimer Stammlokal mit seinem Leibgericht "Saumagen"… Trotzdem gaben diese nacheinander ihren Widerstand gegen die deutsche "Wiedervereinigung" auf, sogar die von Kohl angewiderte britische Lady Margaret Thatcher.
Zugegeben stammten leider eine beträchtliche Anzahl Deutschnationaler aller Couleur, auch fanatische Nazis, aus dem Weichbild Frankreichs, also aus dem jetzigen ehemals zur französischen Besatzungszone gehörenden Bundesland Rheinland-Pfalz, aus Baden (das seit Kriegsende Teil des Bundeslands Baden-Württemberg ist), und sogar aus dem Saarland. Der "Freiburger" Badener Wolfgang Schäuble möchte am liebsten nur Englisch mit seinen Nachbarn jenseits der Grenze radebrechen – so wie es schon heute sehr viele junge Einheimische aus dem deutschen Grenzland tun…
In der Pfalz wohnte der Strauß-, Kohl- und Biedenkopf- Förderer Dr. Fritz Ries, ein aus Saarbrücken stammender Industrieller, der durch Arisierungen während der Nazizeit Multimillionär geworden war und schließlich in der französischen Besatzungszone, in Frankenthal, untergekommen war, wo er seine Pegulan-Werke führte.
Überdies war Ries der Schwiegervater von Kurt Biedenkopf, des späteren Ministerpräsidenten von Sachsen, der übrigens wie Helmut Kohl ebenfalls aus Ludwigshafen am Rhein stammt…Während Biedenkopfs Amtszeit erblühte der Neonazismus in Sachsen und der ex-DDR, und dieser Boom hält auch weiterhin an. Den Türken braucht man nicht mehr zu erklären, was der NSU ist, dessen Scheinprozess schon seit drei Jahren anhält...
Übrigens hatte auch ein anderer Nazi in der Pfalz Zuflucht gefunden: Der bekannte NS-Karikaturist Hans Schweizer alias „Mjölnir“ (1901-80). Dieser Berliner hatte in der Nachkriegszeit im alten Stil die Webeplakate für die französische Fremdenlegion gestaltet, aber auch Propaganda-Aufträge der Bundesregierung ausgeführt…Einige Werbeplakate der Bundeswehr waren im NS-Stil gezeichnet, man könnte glauben von „Mjölnir“…
Ich könnte noch viele Seiten über den "Pfälzer Kohl" schreiben, und auch über seine Türkenfeindlichkeit – zumindest bis sein jüngster Sohn Peter eben jene betuchte Türkin heiratete. Aber über sie und ihre Familie gibt es ohnehin ausreichend türkische Quellen… Und es gibt unzählige viele Artikel und Bücher über die "Treuhand" und andere Institutionen und Profiteure, die die "neuen Bundesländer" aussaugten, um sie in die angeblichen kohlschen "blühenden Landschaften" zu verwandeln…
Im Süden der Pfalz, knapp vor der Grenze zum Elsaß, steht das Weintor von Schweigen. Dieses war unter NS-Herrschaft erbaut worden, und nach dem Kriege wurde lediglich das Hakenkreuz herausgemeisselt. Und ich finde, dass dies ein schöner Schlusssatz zu meinem Artikel über Kohl und Freunde ist.
Author : Harry R. Wilkens
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